Nelly Schönbaum, geb. Grünmandel

Widmung Simonsohn an Grünmandel

 

 

 

 

(1900 Breslau – 1978 Israel)

 

 

Im Jahr 1916 erhielt die 16-jährige Schülerin Nelly Grünmandel aus Breslau ein kleines Büchlein als Geschenk von ihrem Religionslehrer. Es handelt sich um eine Haggada mit einer eingeklebten Widmung:

 

Der Schülerin

der Klasse UI  [= Unterprima]

Nelly Grünmandel

als Zeichen der Anerkennung für Fleiss und

würdiges Betragen.

Breslau, den 9. April 1916.

Religions-Unterrichts-Anstalt I.

Der Dirigent: i. V.

Simonsohn.

 

 

Nelly Grünmandel war das zweitälteste Kind von Hermann Grünmandel und Malwine geb. Friedlieb, die nach Ihrer Hochzeit 1895 in Sered/Slowakei nach Breslau übersiedelten.

1939/1940 konnte Nelly mit ihrem Ehemann Max Schönbaum (geb. 1895 in Bratislava) und ihrer gemeinsamen Tochter Chava (geb. 1924) nach Palästina emigrieren.

Im Dezember 1939 starb Nellys Mutter in Breslau und im Jahr 1942 wurde ihr Vater an einen unbekannten Ort deportiert. Wir können vermuten, dass die Haggada in Nellys Elternhaus in der Breslauer Charlottenstraße verblieb bis das Anwesen durch die Nationalsozialisten geräumt wurde. Anhand weiterer in der Heidelberger HfJS identifizierter Provenienzen ist es naheliegend, dass das Buch – wie viele weitere Breslauer Bücher auch – nach Theresienstadt gebracht und dort in den Bibliotheken der Nutzung zugeführt worden war.

Im Dezember 2020 konnten wir das Buch an Chavas Sohn in Israel restituieren.

Wir wissen, dass Nelly noch drei Geschwister hatte: Siegfried (geb. 1903), Rosa (geb. 1907) und Selma (geb. 1896). Letztere ist 1934 als Schulärztin in Breslau fassbar und 1937 als niedergelassene Kinderärztin in Cottbus. Nach ihrer Emigration nach England 1939 setzte sie dort ihre Tätigkeit fort.

Nellys Vater war sowohl Vorstand der Breslauer Abraham Mugdan Synagoge als auch der Israelitischen Kranken-Verpflegungs-Anstalt und Beerdigungs-Gesellschaft. Durch seine Tätigkeit als Weinhändler scheint er es zu einigem Wohlstand gebracht zu haben. Davon zeugt eine erhebliche Anzahl erhaltener an ihn gerichteter Bittbriefe um finanzielle Unterstützung seitens der notleitenden jüdischen Bevölkerung Breslaus, insbesondere aus den Jahren 1939 und 1940. (Konvolut 1, Konvolut 2)

Bei dem Widmungsgeber des Buches handelt es sich um den Rabbiner und Religionslehrer Dr. Max Simonsohn, zu dessen Tod im Jahr 1936 ein längerer Nachruf erhalten ist.

 

 

Dank

Für das Aufspüren der Nachkommen Nelly Schönbaums sind wir Anne Webber von der Commission for Looted Art in Europe zu großem Dank verpflichtet.

 

 

Ausgewählte Quellen

http://gen.scatteredmind.co.uk/JHI_105_index

(Die Webseite bietet einen Überblick über die in der Polish Central Jewish Library digitalisierten Dokumente der Breslauer jüdischen Gemeinde)

https://cbj.jhi.pl/documents/182087/6/

(Auszug aus der Adressliste der Breslauer jüdischen Bevölkerung, ca. 1933 mit Angabe des Wohnortes von Nelly und Max Schönbaum)

 

 

Link zum Exemplar in der Datenbank Looted Cultural Assets.

Link zum Volltext der Erstausgabe dieser Haggada aus dem Jahr 1884.

 

 

 

(Text: Ph. Zschommler)

Letzte Änderung: 21.10.2022