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Provenienzforschung

Seit 2019 sucht die Heidelberger Hochschule für Jüdische Studien in den Beständen ihrer Bibliothek aktiv nach NS-Raubgut. Bereits ein wahlloser Griff ins Bücherregal lässt ahnen, dass ein erheblicher Teil des vor 1945 erschienenen Bestandes zumindest einen solchen Verdacht begründet.

Dieser Umstand ist selbstverständlich kein Zufall. Seit ihrer Gründung im Jahr 1979 war die Bibliothek darauf bedacht, möglichst rasch einen umfassenden Bestand aufzubauen und zwar aus den unterschiedlichsten Quellen.

Dabei war die Anschaffung von älterer Literatur unverzichtbar und so wurden Judaica und Hebraica eingearbeitet, deren Herkunft zunächst nicht hinterfragt wurde. Ankäufe wurden antiquarisch vorgenommen aber es erreichten auch zahlreiche Schenkungen und Nachlässe die Bibliothek, die man dankbar annahm. Darunter befindet sich auch der Nachlass des ehemaligen Landesrabbiners von Westfalen, Emil Davidovic. Da dieser Bestand eindeutig identifizierbar ist und zahlreiche aber räumlich definierbare Provenienzen aufweist, eignete er sich besonders gut als Einstieg in die Raubgutforschung. Hierzu nutzte die Hochschule die Möglichkeit, eine Förderung beim Deutschen Zentrum Kulturgutverluste zu beantragen. Darüberhinaus wurde das Projekt von der Lilli und Michael Sommerfreund-Stiftung unterstützt.

Im Rahmen dieses Projekts mit dem Titel "NS-Raubgut in der Bibliothek Albert-Einstein der Hochschule für Jüdische Studien – Die Provenienzen im Nachlass des Rabbiners Emil Davidovic" (01.01.2019 - 31.12.2021) wird dieser Teilbestand per Autopsie auf seine Provenienzen hin geprüft. Auch in Fällen, in denen letztendlich keine Restitution möglich ist, wird das Projekt diejenigen angemessen würdigen, denen einst die Bücher gehörten. Auf diese Weise wird das Projekt einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur im Besonderen und zur jüdischen Geschichte während und nach der Schoah im Allgemeinen leisten.

Das darauf aufbauende und am 01.01.2022 begonnene Projekt "Erbenermittlung zu NS-Raubgut aus dem Nachlass Emil Davidovič in der Bibliothek der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg", das ebenfalls vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste und der Lilli und Michael Sommerfreund-Stiftung gefördert wird, widmet sich ausschließlich dem Auffinden von Erbberechtigten der Bücher, deren EigentümerInnen bereits ermittelt werden konnten. 

Die untersuchten bzw. restituierten Bücher sowie die aufgefundenen Provenienzhinweise werden in der kooperativen Datenbank Looted Cultural Assets sowie im Portal LostArt veröffentlicht. Seltene restituierte Werke werden mit Einwilligung der EigentümerInnen digitalisiert und stehen über die Plattform Heidelberger historische Bestände - digital (UB Heidelberg) Interessierten weiterhin zur Verfügung.

Portrait Birgit Klein
Lehrstuhlinhaberin Geschichte des Jüdischen Volkes

Prof. Dr. Rabb. Birgit Klein

Upupa Epops
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Projekt Provenienzforschung
Lehrstuhl für die Geschichte des Jüdischen Volkes

Philipp Zschommler M.A.

Studentische Mitarbeiter:innen:

Carmen Algaba Muñoz

Maksymilian Kuźma

Vera Wiethoff

Im Jahr 1988 erwarb die HfJS den Nachlass des ehemaligen Landesrabbiners von Westfalen, Herrn Emil Davidovič (geb. 1912), der zwei Jahre zuvor verstorben war. Der Großteil dieses Nachlasses besteht aus dessen privater Bibliothek und umfasst ca. 6.000 Bände. Hiervon sind ca. 2.500 Bände z.B. durch ihr Erscheinungsjahr vor 1945 auf ihre Provenienzen und NS-Raubgut-Verdacht zu untersuchen. Inhaltlich handelt es sich vorrangig um Judaica in deutscher und hebräischer Sprache. Bereits bei den Überlegungen zum Erwerb der Sammlung vor über 40 Jahren machte Dr. Uri Kaufmann in seinem Gutachten darauf aufmerksam, dass die Provenienzen einer gesonderten Untersuchung wert seien.

Der Auschwitzüberlebende Davidovič war zunächst in Prag als Rabbiner tätig und begann dort bereits, seine Privatbibliothek aufzubauen. So erscheinen in Büchern aus dem Nachlass Davidovič zahlreiche Besitzvermerke von Opfern der NS-Herrschaft sowie liquidierten jüdischen und nichtjüdischen Einrichtungen (z. B. aus Berlin, Prag, Breslau, München). Den Namen zufolge waren es vor allem Häftlinge aus dem Ghetto Theresienstadt, die bei ihrer Ankunft nicht nur ihre Bücher abgeben mussten. Letztere wurden in die dort eingerichteten Bibliotheken einverleibt. Hinzu kamen Buchbestände aus aufgelösten jüdischen Einrichtungen des Deutschen Reiches, wie etwa der Hochschule/Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums oder dem Breslauer Rabbinerseminar. Sämtliche Bücher aus Theresienstadt wurden nach Kriegsende zunächst nach Prag ins Jüdische Museum gebracht. Womöglich hatte Davidovič die Möglichket, aus diesen Beständen Bücher an sich zu nehmen. Er sollte als einer der wenigen überlebenden Rabbiner in der Tschechoslowakei die Betreuung einiger Gemeinden übernehmen und der Bedarf an Literatur war groß. Die Tatsache, dass sein Nachlass zahlreiche Gebetbücher enthält, spricht dafür, dass er die Bücher nicht (nur) zum eigenen Nutzen an sich nahm.

Im Nachlass sind aber auch Bücher enthalten, die während der deutschen Besatzung direkt in Prag zusammengeführt worden waren. Diese stammen vor allem aus den jüdischen Institutionen aus Böhmen und Mähren, die zwangsaufgelöst worden waren. Wie auch in Theresienstadt waren jüdische Bibliothekarinnen und Bibliothekare damit beschäftigt, die Katalogisierung zu übernehmen. Das während der nationalsozialistischen Besetzung umbenannte "Jüdische Zentralmuseum" in Prag war der Ort, an dem sämtliches Kulturgut aus Synagogen und Bibliotheken gehortet wurde. Die noch erhaltenen und akribisch geführten Eingangslisten geben Aufschluss über die Massen an Objekten, die bearbeitet werden mussten, während deren Eigentümer in die Vernichtungslager verschickt wurden. Fast alle der Museums- und Bibliotheksmitarbeiter - auch in unserem Bestand finden wir Bücher aus deren Besitz - wurden ebenfalls ermordet.

Die Bibliothek des Jüdischen Museums Prag besitzt noch immer den Großteil dieser Bestände. Daneben wurden nach Kriegsende auch große Mengen an Büchern etwa in die USA und nach Israel verschifft, andere Bestände mussten aufgrund von Schimmelpilzbefall vernichtet werden und weitere gelangen wohl auch in Antiquariate. Darauf lassen Kürzel und Preisangaben schließen, die sich in einigen Büchern des Nachlasses Davidovič finden.

Der politische Kurs der Tschechoslowakei nach Kriegsende war geprägt von antijüdischen Maßnahmen von Denuziationen bis hin zu den stalinistischen "Säuberungen". Erst 1962 gelang es Davidovic und seiner Familie eine Genehmigung zur Ausreise zu erhalten und zwar unter Vorwand einer Familienzusammenführung in Südamerika. Stattdessen erreichte die Familie bald darauf Dortmund, wo man Davidovič das Amt des Rabbiners zugesagt hatte. 10 Jahre später wurde Davidovič Landesrabbiner von Westfalen und 1979 der Vorsitzende der deutschen Rabbinerkonferenz.

In seinem Nachlass finden wir auch NS-Raubgut mit westfälischen Provenienzen. Nach unseren aktuellen Kenntnisstand stammen diese Bücher aus Restitutionen die in den 1950er Jahren innerhalb der Britischen Zone an die Jewish Trust Corporation erfolgten. Letztere verteilte die rückerstatteten Bücher vermutlich auf die westfälischen Gemeindebibliotheken, von wo sie vermutlich in den Besitz von Davidovič übergegangen sind. Bei einigen Eigentümern der Bücher können wir davon ausgehen, dass Davidovič sie selbst oder deren Nachkommen gekannt hatte. Ob er eine Übergabe der Bücher angestrebt hatte, können wir leider nicht mehr nachvollziehen.

Ausgewählte Literaturhinweise

Bušek, Michal: Hope is on the next page. 100 years of the Library of the Jewish Museum in Prague / Židovské Muzeum v Praze, Prag 2007

Trnka, Vera: Emil Davidovič. Das Leben eines jüdischen Gelehrten in den Wirren des 20. Jahrhunderts, Berlin 2020.

Zschommler, Philipp: NS-Raubgut an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg. Die Provenienzen im Nachlass des Rabbiners Emil Davidovic, Bibliotheksdienst 2020; 54(10-11), S. 793-804.

Ders.: Die Provenienz „Prag“ in der Bibliothek der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg, Provenienz & Forschung 1/2021, S. 28-33.

Digitaler Workshop

„Aktuelle Projekte und Forschungen zu NS-Raubgut"

18. und 19. März 2021

[Tagungsbericht]

Seit 2019 wird das Provenienz-Projekt der Hochschule für Jüdische Heidelberg (HfJS) maßgeblich vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste gefördert, um die Geschichte des weitgehend aus Büchern bestehenden Nachlasses des ehemaligen Landesrabbiners von Westfalen Emil Davidovič (1912-1986) zu erforschen, den die HfJS, 1979 in der Trägerschaft des Zentralrats der Juden in Deutschland gegründet, 1988 zum Aufbau ihrer Bibliothek angekauft hatte. Etwa 2.500 der rund 6.000 Bände des Nachlasses, vornehmlich vor 1940 gedruckte Judaica in deutscher und hebräischer Sprache, waren möglicherweise als NS-Raubgut in das Prager Jüdische Museum und Antiquariate gelangt und dort von Davidovic nach 1945 erworben worden. Das Heidelberger Projekt widmet sich somit der erst seit wenigen Jahren erforschten Provenienz der Bestände heutiger jüdischer Bibliotheken.

Mit dem Workshop möchten wir ein Forum für Provenienzforscher*innen und Interessierte bieten, um neue Projekte vorzustellen, Fragen zur Methodik zu diskutieren sowie Impulse und Handreichungen zu erhalten.

Donnerstag, 18. März 2021,  09:00 – ca. 16:30 Uhr

09:00 – 11:15 Uhr

Birgit E. Klein (Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg)

            Zeit zu zerstreuen – Zeit zu sammeln: Fragen zur Geschichte jüdischer Bibliotheken nach 1945

Tomáš Kraus (Federation of Jewish Communities in Czech Republic / Federace židovských obcí v ČR)

            Die Rückgabe des Jüdischen Eigentums in der Tschechischen Republik

Stephan Kummer (Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin)

Bücher werden Geschichte - Ein Rückblick auf das Provenienzforschungsprojekt im Centrum Judaicum (2014-2019) und die Privatbibliothek von Rabbiner Dr. Moritz Moses Kahn (1871-1946)

Annegret Braun

Provenienzforschung erlebt

11:15 – 11:30 Uhr Virtuelle Kaffeepause zum informellen Austausch

11:30 – 13:30  Uhr

Andreas Kennecke (Universitätsbibliothek Potsdam)

Provenienz-Forschung-Daten – Wikidata [Präsentation]

Barbara Thumm und Sebastian Finsterwalder (Zentral- und Landesbibliothek Berlin)

Aus den Büchern – Versuch eines systematischen Überblicks über den „Zugang J“ der Berliner Stadtbibliothek

13:30 – 14:30 Mittagspause

14:30 – 16:30 Uhr

Bettina Farack (Leo Baeck Institute Jerusalem)

Provenienzerschließung in der Bibliothek des Leo Baeck Institute Jerusalem

Ulrike Vogl und Daniel Dudde (Universitätsbibliothek J. C. Senckenberg Frankfurt am Main)

Provenienzforschung an der UB Frankfurt: Projektstart und regionale/lokale Besonderheiten

Silke Reuther (Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg)

Die Rekonstruktion der Judaika-Sammlung von Max Raphael Hahn (1880-1942). Ein Kooperationsprojekt vom Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg und Prof. Dr. Michael R. Hayden, Vancouver. Gefördert von der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste [Präsentation]

Freitag, 19. März 2021, 09:00 – ca. 12:00 Uhr

Annette Weber (Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg)

„Judensilber“. Vom Umgang mit jüdischen Kunst- und Ritualobjekten in der Nachkriegszeit

Felicitas Heimann-Jelinek (Xhibit.at) und Julie-Marthe Cohen (Jewish Historical Museum / Joods Historisch Museum Amsterdam)

The Handbook on Judaica Provenance Research: Ceremonial Objects. An introduction

The Lost & Found Database of the Association of European Jewish Museums: A project in development

Julie-Marthe Cohen (Jewish Historical Museum / Joods Historisch Museum Amsterdam)

Short presentation of PhD research on the Nazi looting of Jewish Ceremonial Objects and Postwar Restitution (University of Amsterdam)

Philipp Zschommler (Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg)

Die Sammlung Davidovic, Hugo Friedmann und Bücher aus Theresienstadt [Präsentation]

Für die Vermittlung historischer Sachverhalte eignen sich zeitgenössische Objekte besonders gut. Sie sind greifbar und ermöglichen einen Einstieg in eine vergangene Lebenswelt. Da Bücher heute noch Teil unserer Lebenswelt sind, setzen sie nur geringe Transferleistungen voraus, um eine Brücke vom eigenen Umgang mit Büchern zu dem anderer Menschen zu schlagen. Wenn es sich dabei um NS-Raubgut handelt und mit Hilfe der Proveneinforschung die Eigentumsverhältnisse und die Umstände des Entzugs festgestellt werden können, sind die Bücher imstande, die kaum vorstellbaren Vorgänge der Schoa im Kleinen zu spiegeln. Sie zeugen von Entrechtung, Verfolgung, “Existenzdrosselung” (Jacob Jacobson) und Ermordung derjenigen, die als Gegner des NS-Staates angesehen wurden. 

Ausstellung Restitution nach Budapest

Ausstellung Dr. Tobias Jakobovits

Inzwischen haben wir in unserer Bibliothek etwa 200 Bücher identifiziert, die aus dem 1942 von den Nationalsizialisten beschlagnahmten Bestand der Berliner Hochschule/Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums stammen. Die noch erhaltenen Bücher dieser Einrichtung sind heute in der ganzen Welt verstreut und ein Projekt, das von den Leo Baeck-Instituten in Jerusalem und London initiiert wurde, widmet sich unter anderem der Rekonstruktion dieser Bibliothek. Die HfJS beteiligt sich an der Dokumentation dieser Bücher und beherbergt im Herbst 2024 die dazugehörige Wanderausstellung. Im Zuge dieser Kooperation und der Idee, die CItizen-Science-Methode anzuwenden, regten wir eine Zusammenarbeit mit dem Heidelberger Thadden-Gymnasium an, bei der uns Schülerinnen unterstützten, Bücher mit den entsprechenden Stempeln un unseren Altbeständen zu finden. 

Die äußerst ansprechende Webseite des Projekts bietet einen Gang durch die Geschichte der Institution und weiteres mehr - und zu verschiedenen Themen rund um die Hochschule und das Projekt siehe #haveyouseenthisbook.

Die „Library of Lost Books“ ist ein Citizen-Science-Projekt, das eine Ausstellung und eine Online-Kampagne umfasst, um die Geschichte einer der bedeutendsten deutsch-jüdischen Bibliotheken, die Bücherei der Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums, und ihrer Nutzer:innen zu erzählen.

Das Projekt dokumentiert die Geschichte der Hochschule, den Raub der Bibliothek durch die Nationalsozialisten und die Zerstreuung ihrer Überreste in der Nachkriegszeit. Am Beispiel der Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums und ihrer Bibliothek beschreitet das Projekt mit der Ausstellung neue Wege in der historischen Bildungsarbeit. Dabei ist auch die Öffentlichkeit eingeladen, bei der Suche nach NS-Raubgut zu helfen und die gefundenen Bücher der Hochschulbibliothek kollaborativ zusammenzutragen.

Die “Library of Lost Books” ist ein gemeinsames Projekt der Leo Baeck Institute in Jerusalem und London und der Freunde und Förderer des Leo Baeck Instituts e.V. Die Auftaktveranstaltung findet in Kollaboration mit der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz statt.

Das Projekt wird in der Bildungsagenda NS-Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert.

Library of Lost Books., In: H-Soz-Kult, 28.11.2023, <www.hsozkult.de/event/id/event-140254>.

Eine der Ideen hinter dem Projekt “Library of Books” ist, Menschen für die Teilnahme zu gewinnen, für die der Umgang mit älteren Büchern oder gar mit Provenienzforschung nicht zum Alltag gehört. Im Schuljahr 2023/24 luden wir Schülerinnen der Jahrgangsstufe 9 der Heidelberger Elisabeth-von-Thadden-Schule ein, gemeinsam auf die Suche nach Büchern und Biographien zu gehen. Im Rahmen der Geschichts-AG unter der Leitung von Dr. Eva Bernhardt konnten sich die Schülerinnen zunächst einen Überblick über den historischen Kontext der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums machen. Nach dem Kennenlernen der relevanten Quellen und Literatur recherchierten die Schülerinnen selbständig nach Biographien von Akteuren der Berliner Hochschule. Es handelte sich dabei vorrangig um Vorbesitzer der Bücher, die mit Hilfe der Exlibris oder der Schenkungsetiketten identifiziert werden konnten. In einem noch ungeprüften Altbestand an Büchern gingen die Schülerinnen selbständig auf die Suche nach Provenienzmerkmalen und fanden erfreulicherweise noch weitere Bücher aus der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums. Die Schülerinnen werden einen Werkstattbericht über die Aktionstage verfassen, dessen Beurteilung in die Schuljahresendnote mit einfließen wird. 

Wir danken den Schülerinnen und Frau Dr. Bernhardt sehr für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und Unterstützung!

Gefälschter Stempel: 


"Zentralbücherei KL Theresienstadt

Böhmen & Mähren

Leiter: Emil Utitz"

Im kunsthistorischen Kontext ist die Provenienzforschung eng verknüpft mit Fälschungsforschung. Dem Interesse an etwa antiken Skulpturen oder spätmittelalterlicher Malerei entsprang in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung damit der Wunsch nach Klassifizierung, Datierung und Zuschreibung. Meist anhand stilistischer Merkmale ließen sich Objekte bestimmten Künstler:innen und Schulen zuschreiben und die präzise Kenntnis davon führte auch dazu, dass etwa Falschzuschreibungen entlarvt werden konnten. Das Phänomen des objektbezogenen Fälschens und Täuschens ist so alt wie facettenreich und die Methoden zur Entschlüsselung müssen kontinuierlich versuchen, Schritt zu halten. 

Bei der Beschäftigung mit geraubten Büchern zur Zeit des NS sind unseres Wissens noch keine Werke offenkundig geworden, die bestimmte Eigentumsverhältnisse vortäuschen möchten. In einem anderen Kontext gelangten jedoch in den vergangenen Jahren Bücher auf dem Markt, die mit einem gefälschten Stempel das Lager Theresienstadt als Provenienz vorgeben wollen. In den Angeboten, die solche Bücher enthalten, wird oftmals der Titel/Inhalt der Werke selbst vernachlässigt und der beschreibende Text hebt in der Regel die Provenienz hervor. Auch wenn solche Objekte in unserem Forschungsbereich für Verwirrung sorgen können, sind sie doch nicht dafür vorgesehen, die Provenienzforschung zu torpedieren. Vielmehr möchte man damit wohl eine Kundschaft bedienen, die Interesse daran hat, vermeintliche “Objekte der Verfolgung” zu erwerben, seien es Privatpersonen oder Museen, Gedenkstätten etc. Aus diesem Verfolgungskontext sind bereits mehrere Objektgruppen in den Fokus der Fälschenden geraten, wie etwa Textilien (Armbinden aus Ghettos) oder Briefmarken (Theresienstadt). 

Insofern bleibt zu hoffen, dass es sich bei dieser Fälschung um einen Einzelfall handelt. Erfreulicherweise gibt es in den “etablierten” Sammlungen genug Vergleichsmaterial, um die Echtheit solcher Stempel erfolgreich zu widerlegen.