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Sebastian Seemann am Arbeitsplatz. Foto © Ekaterina 'Qeto' Gotsiridze
Star of David, RNL (B19a), fol. 474r (transcribed). Masorah Rearranged: Eight Masoretic Lists in MS London Oriental 2091, fol. 335v corpus masoreticum working papers 6 (2023).
Fische, British.Library.Or.2091__251r
British.Library.Or.2091, 20r edit

Corpus Masoreticum. The Inculturation of Masora into Jewish Law and Lore from the 11th to the 14th Centuries. Digital Reconstruction of a Forgotten Intellectual Culture

Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft

Dieses Projekt begann 2018 und ist auf 12 Jahre Laufzeit angelegt. Ziel ist die erstmalige philologische Auseinandersetzung mit der westeuropäischen masoretischen Tradition zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert. In den ersten beiden Förderphasen wurden vor allem die kalligraphisch reichhaltig verzierten aschkenasischen Bibeln, die lineare Masora wie die mikrographischen Masora figurata Illustrationen in verschiedenen Handschriften philologisch bearbeitet. Die Masora figurata sowie erhebliche Teile der linearen Masora magna von bislang neun mittelalterlichen Handschriften wurden transkribiert und der Öffentlichkeit im Open Access digital zugänglich gemacht. Bahnbrechende Ergebnisse hinsichtlich der Erforschung der philologischen Qualität der Masora figurata sowie ihrer exegetischen und pädagogischen Funktion in verschiedenen Handschriften konnten bislang erzielt werden.

Als digitales Projekt wird Corpus Masoreticum von einer hochskalierbaren digitalen Cloud-Infrastruktur unterstützt, die den gesamten Workflow für die Verwaltung von Manuskriptbeständen, Transkriptionen, Analysen und Publikationen abdeckt. Sein Herzstück, der digitale wissenschaftliche Editionsarbeitsbereich BIMA 2.1, basiert auf drei grundlegenden Konzepten: 1. IIIF-kompatible Manuskript-Repositorien, 2. SVG-TextPath-Transkriptionen, 3. eine Neo4j-Graph-Datenbank, die auf einem lose gekoppelten Text-as-a-Graph-Datenmodell basiert. Bis heute beherbergt BIMA 2.1 112 Manuskripte und zeigt über 7.000 (teilweise oder vollständig transkribierte) Seiten mit fast 300.000 Transkriptionszeilen an, von denen bereits mehr als 500 Seiten unter einer Open Access Creative Commons CC-BY-SA 4.0 Lizenz veröffentlicht wurden: 

Corpus Masoreticum  & BIMA 2.1 

Die computergestützten Toolkits wurden durch die Implementierung von Methoden und Algorithmen wie der maschinellen Texterkennung (HTR) und der Korrespondenzanalyse/seriation von Lemmata-Features erweitert.

Corpus Masoreticum betreibt eine eigene Publikationsreihe: Corpus Masoreticum Working Papers


WISSENSTRANSFER-AKTIVITÄTEN UND OUTREACH: Multimediale Beiträge für das Projekt Corpus Masoreticum

Dokumentationsvideos

Dokumentationsvideos, in denen Ziele und Methoden des Projektes sowie einzelne Artefakte vorgestellt werden, ermöglichen dem interessierten nicht-fachwissenschaftlichen Publikum Einblicke in die faszinierende Welt der jüdischen Bibelauslegung, der masora figurata und der hebräischen Buch- und Wissenskultur des Mittelalters.

"Wenn Bibel auf Literatur trifft – Yaaqovs und Esaws unbekannte Seiten", Serie "Madda ba-Bayit" ‘Wissenschft zu Hause’ des Zentralrats der Juden in Deutschland: https://youtu.be/yOk0ZXdAxuE

Dokumentationsvideos aus den verschiedenen Projekten:
https://www.youtube.com/channel/UCalER-_CjwOedcaZrGBG0nQ
https://t1p.de/BIMA-Video1
https://t1p.de/BIMA-Video2

Multimediale Online-Ausstellung: Versunkene Schätze: Die hebräische Buchkultur des mittelalterlichen Judentums in Westeuropa

Besuchen Sie die Online-Ausstellung:

Der Lehrstuhl für "Bibel und Jüdische Bibelauslegung" nahm das Jubiläum "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" zum Anlass, einer breiteren Öffentlichkeit das Themenfeld des materialen Erbes des aschkenasischen Judentums zu präsentieren. In diesem Rahmen wurde eine Online-Ausstellung erstellt, die multimedial anhand hebräischer mittelalterlicher Handschriften die jüdische Gelehrtenkultur vorstellen soll.

Als Mittel der Wissenschaftskommunikation hat sich das Projekt zum Ziel gesetzt, nicht nur die leidvolle Geschichte des Judentums im Gegenüber zur kirchlichen Macht zu thematisieren, sondern auch positiven Aspekte kultureller und theologischer Synergien sichtbar zu machen: Die Ausstellung stellt künstlerisch und ästhetisch dem Antagonismus von Kirche und Judentum das Bild einer kulturell fruchtbaren Interdependenz zwischen den jeweiligen Umweltkulturen und der jüdischen Bildungsgesellschaft an die Seite, die bislang erst in Ansätzen erkannt und gewürdigt wurde.

Konzept und Text: Prof. Dr. Hanna Liss; Webdesign, Video- & Audioproduktion: Clemens Liedtke, M.A.


Aktuelle Veranstaltungen des Corpus Masoreticum

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Vergangene Veranstaltungen

Kolloquium „Judaeophobia? Identitätskonflikte des Judentums in der Antike“

Aktuelles Pressemitteilung

In Kooperation mit der Università Roma Tre, umfasste die Veranstaltung Vorträge rund um das Thema „Judaeophobia“. Dabei wurde der Begriff selbst, jüdisches Leben im ägyptischen Hinterland, jüdische Identität und Nationalismus behandelt und analysiert.
Professor Johannes Heil ging in seiner Einleitung unter anderem auf die Problematik ein, dass Arbeiten zur jüdischen Geschichte oftmals außerhalb jüdischer Fakultäten entstanden seien bzw. entstehen. Auch leitete er direkt in den Titel der Tagung über Judaeophobie über. Dabei bemängelte Heil den Kern des Begriffs, impliziere er doch, die Möglichkeit, Juden als etwas Bedrohliches anzusehen.
Unter dem Titel „Jüdisches Leben im ägyptischen Hinterland“, zeichnete Professorin Andrea Jördens ein Bild einer vergangenen Gesellschaft, in der jüdisches Leben sehr präsent war. Juden waren gesellschaftlich integriert, so zum Beispiel im Sicherheitsdienst, waren unter anderem als Bauern tätig und besaßen sogar eine eigene Gerichtsbarkeit. Mit Blick auf die frühe Kaiserzeit könne man keinen Wandel feststellen, es scheine auch weiterhin ein gutes Miteinander geherrscht zu haben, so Jördens. Besonders aussagekräftig waren mit Tinte beschriftete Gefäßscherben, sogenannte Ostraka.
Interessant war dabei nicht nur die darauf zu sehende Abbildung Moses, sondern die Anweisung, den Juden diesmal kein Brot, sondern Getreide zu liefern. Dies bezog sich zeitlich vermutlich auf Pessach und stellte somit eine Gewährleistung religiöser Praktiken von Seiten der Römer dar.
Francesca Lorenzini lud die Zuhörerinnen und Zuhörer dazu ein, darüber zu reflektieren, inwieweit man die Verwendung der Begriffe „Nation und Nationalismus“ mit Bezug auf das antike Judentum ablehnen, akzeptieren oder hinterfragen solle. Sie betrachtete die Elemente, die zu der Entstehung einer jüdischen nationalen Identität in der Antike beitrugen und schrieb dabei der Massenverbreitung biblischer Literatur, eine wichtige Rolle zu. Frau Lorenzini bemerkte, dass die jüdische nationale Identität bei ihrer Entstehung eine Dualität, bestehend aus Abstammung und kulturellem Erbe, aufweise. Sie kam zu dem Schluss, dass, entgegen Mendels Behauptungen, nach 135–136 nach Christus nicht etwa der jüdische Nationalismus untergegangen sei, sondern der Wunsch nach einem unabhängigen jüdischen Staat. Auch seien nationalistische Symbole nicht verschwunden, sondern hätten sich weiterentwickelt und den aktuellen Bedürfnissen eines Volkes angepasst. Vor diesem Hintergrund der Metamorphose könne man die Verwendung der Kategorien „Nation“ oder „Nationalismus“ beobachten.

Mit seinem Vortrag zeigte Christopher Decker anhand von Darstellungen des herodianischen Tempels, in welchen verschiedenen Formen das Symbol des Tempels, je nach Medium, Sender und Adressatenkreis, divergierende Absichten der Darstellung besaß. Dabei betonte er, dass die Erinnerung an den Tempel fluide war und letzterer sich in verschiedenen Ideen und Gestaltungen, so auch in pagan konnotierten Bildformen, ausdrückte. Die erklärungsbedürftige Inbesitznahme von kulturellen Elementen der griechisch-römischen Welt durch das Judentum, bildeten laut Decker erst das Fundament, auf dem die jüdische Religion darstellbar werden konnte. Eine jüdische Identität in der Antike habe sich in ihrer spezifischen Bildsprache erst im Prozess zwischen Inkulturation und Abgrenzung zu ihrer paganen Umwelt geformt. Dabei zeigte er unter anderem die Bar Kochba-Münzen als Beispiel dafür auf, dass dieses Medium zur Verbreitung ideologischer Botschaften genutzt werden konnte.
Inkulturation, so Decker abschließend, stellte den Untergrund dar, auf dem sich jüdische Symbolik und Identität ausbilden und wachsen konnte.

Abschließend ging Arnaldo Marcone auf das Konzept „Judaeophobia“ ein. Er schilderte Peter Schäfers Auffassung, dass der Antisemitismus seinen Ursprung in der Antike, sogar Wurzeln noch vor dem Hellenismus habe.
Auch die Kritik Schäfers an Ansätzen, die Antisemitismus auf die Besonderheit der Juden bzw. ihrer Religion zurückführten, fand Erwähnung. Die methodologische Prämisse dieser sei, dass die einzigartigen kulturellen, religiösen und sozialen Merkmale des Judentums selbst die Ursachen dessen seien, was später als Antisemitismus bekannt werden sollte.
Gefährlich sei, dass der Substanzialist einen monolithischen Antisemitismus annehme, der aus dem Wesen des Judentums selbst entspringe. Dadurch bestehe die Gefahr, Ursache mit Vorwand zu verwechseln und letztlich den Juden für das, was ihnen widerfahren ist, Schuld zu geben. Schäfer bevorzuge einen synthetischen Ansatz, der beide Modelle nutzt und ihn zu folgender Behauptung geführt habe: Im Antisemitismus brauche es immer beide Komponenten, nämlich den Antisemitismus und den Juden bzw. das Judentum, denn Antisemitismus entstehe immer im Kopf des Antisemiten, brauche aber ein Objekt.
Eine abschließende Bilanz der Veranstaltung zeigt: Jüdische Identität war in der Antike ein dynamischer Prozess und bewegte sich in einem komplexen Spannungsfeld aus Integration, Abgrenzung und Fremdzuschreibung. So zeigt sich einerseits, dass jüdisches Leben von funktionierendem Zusammenleben und institutioneller Einbindung andererseits aber auch von der scheinbar stets herrschenden „Judaeophobia“ geprägt war. Ausschlaggebende Faktoren in der Identitätsbildung waren Literatur, religiöse Praktiken und Symbole, wobei sich insbesondere letztere wandelnden historischen Kontexten anpassten.

(Redaktion: Annalena Bauer)
 

  • Datum: 15. Dezember 2025
    Datum 15. Dezember 2025
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