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Bibelglossare als verborgene Kulturträger.                             Judäo-französischer Kulturaustausch im Hochmittelalter

Föderung durch und Einrichtung bei der Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Akademienprogramm

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Bibelglossare als verborgene Kulturträger | Heidelberger Akademie der Wissenschaften

Im Zentrum des Projektes stehen hebräisch-französische Glossare, die (zum größten Teil erstmals) ediert und historisch-philologisch bearbeitet und kontextualisiert werden, weil sie exzeptionelle Zeugen für eine sich zeitgleich entwickelnde (jüdische und christliche) französische (Bibel-)Lesekultur in Westeuropa zwischen dem 12. und dem 14. Jh. sind. Die Glossare bilden Grundlagentexte für die Erforschung der Wechselbeziehungen zwischen der jüdischen Geistesgeschichte und der nicht-jüdischen Umwelt sowie den lexikalischen Interferenzen zwischen jüdischen und christlichen volkssprachlichen Kulturen. Die französischen Glossen sind durchgehend in hebräischer Schreibung notiert und umfassen etwa 1/4 des heute bekannten altfranzösischen Wortschatzes.

Die philologische Arbeit wird von Anfang an in eine digitale Arbeitsumgebung integriert, die die seit 2018 im Projekt Corpus Masoreticum produktiv genutzte und kontinuierlich weiterentwickelte Datenbank BIMA 2.0 verwendet. BIMA 2.0 sichert die editorische Erschließung und Langzeitarchivierung des gesamten hebräisch-französischen Materials und stellt Tools bereit, die die nachhaltige Verwaltung, Aufbereitung, Präsentation und Visualisierung der Projektergebnisse garantieren. Eine Datenexportschnittstelle via RDF/OntoLex stellt sicher, dass die Interoperabilität der lexikographisch relevanten Editionsdaten als ‚Linked Open Data‘ mit den immer noch vorgehaltenen Ressourcen des DEAFél (Dictionnaire étymologique de l’ancien français électronique) gewährleistet ist, und damit auch DEAFél für weitere Forschung nachgenutzt wird. Der Bereich der Digital Humanities leistet darüber hinaus einen eigenständigen Forschungsbeitrag zur Ausdifferenzierung einer digitalen Korpuslinguistik judäo-französischer Textkulturen des Mittelalters. Die digitalen Ergebnisse werden durch Online- und Printpublikationen ergänzt, die transdisziplinär für die Jüdischen Studien, die Romanistik, die jüdische und christliche Theologie sowie insgesamt für die mittelalterliche (Wissens-) Geschichte neue wissenschaftliche Impulse setzen werden.


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Der Aktivismus in den deutschen Nahoststudien ist Folge einer Blickverengung

Aktuelles Presse

Ausweg aus der Echokammer

(Artikel von Prof. Dr. Johannes Becke für die FAZ)

Der Aktivismus in den deutschen Nahoststudien ist Folge einer Blickverengung 

Eine akademische Diskussion über Israel und Palästina ist an den meisten US-amerikanischen Universitäten nicht mehr möglich. Seit dem Umbau der US-Nahoststudien von einer philologisch- historischen Disziplin in ein aktivistisches Forschungsfeld, das im Nahen Osten und Nordafrika nach Bestätigung für allerlei progressive Theoriefragmente sucht, sind viele amerikanische Forschungszentren für Nahoststudien zur Echokammer geworden: Der Diskurs über das zionistische Projekt hangelt sich entlang weniger Phrasen aus den Siebzigerjahren (Siedlerkolonialismus, Apartheid, Genozid), israelische Wissenschaftler werden konsequent boykottiert und ausgeschlossen, verstaubte Traktate der Drittwelt- Ideologie (wie der Klassiker „Orientalismus“ von Edward Said, der vor fast fünfzig Jahren erschien) werden dagegen wie religiöse Texte behandelt: Exegese ja, Kritik nein.

Die fortschreitende Horizontverengung lässt sich gut an der größten Vereinigung für Nahoststudien ablesen, der Middle East Studies Association (MESA): Noch bis vor wenigen Jahren gab es hier einige wenige Panels, die von israelischen Forschungsinstituten ausgerichtet wurden. Die Stimmung auf MESA- Tagungen war scharf antiisraelisch, aber einige wenige Panels zur israelischen Geschichte wurden geduldet. Seit die MESA im Jahr 2022 offiziell eine antiisraelische Boykott-Resolution annahm, sind auch diese wenigen Panels mit mehr als einer einzigen erlaubten Meinung zu Israel und Palästina verschwunden: Man ist endlich unter sich. Wer sich mit der zionistischen und israelischen Geschichte auseinandersetzen möchte, muss das in den Vereinigten Staaten außerhalb der Nahoststudien tun, nicht zuletzt im wachsenden Feld der Israelstudien.

Mit der üblichen Verzögerung schwappt dieser bedauernswerte Trend auch nach Deutschland herüber: Der im September 2025 neugewählte Vorstand der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Vorderer Orient (DAVO) besteht vollständig aus engagierten antiisraelischen Aktivisten. Das Meinungsspektrum des neuen DAVO-Vorstands reicht von der Forderung nach einem Boykott aller israelischen Universitäten (DAVO- Vorsitzende Christine Binzel) über den Ruf nach Militärschlägen gegen Israels Wirtschaft („I am fully aware that civilians will die“, Hanna Kienzler, DAVO-Schriftführerin) bis hin zur überraschenden Einsicht, die Bilder des 7. Oktober stünden doch in Wirklichkeit für „Ausbruch, Rückkehr, Freiheit“, natürlich ganz unabhängig davon, wie man „strategisch, militärisch oder politisch zu der von verschiedenen Gruppen ausgeführten Operation [sic!] steht“ (Hanna Al-Taher, stellvertretende DAVO-Vorsitzende).

Nun könnte man viel Kritisches zur israelischen Regierung anmerken. Die rechts-religiöse Koalition unter Dauer-Premierminister Netanjahu enthält ähnlich dubiose Rechtsextremisten wie die türkische Regierung, und auch sonst fügt sich Israel zunehmend in die Landschaft nahöstlicher Staaten ein: so irredentistisch wie Marokko, so militaristisch wie die Vereinigten Arabischen Emirate und mit einer ganz ähnlichen Tendenz, im Kampf gegen islamistische Gruppen wie die Hamas auf unbedingte militärische Härte zu setzen, wie es Saudi-Arabien im jemenitischen Bürgerkrieg versuchte.

Als wissenschaftlicher Verband ist die DAVO damit fürs Erste erledigt. Wenn man im DAVO-Vorstand Militärschläge gegen die israelische Wirtschaft fordert oder das Massaker des 7. Oktober als ein Symbol der „Befreiung“ versteht, ist die DAVO kein sicherer Ort mehr für jüdische und israelische Wissenschaftler und für viele andere ebenfalls nicht. Die Universität Nürnberg-Erlangen sollte sich daher gut überlegen, ob sie tatsächlich die Gastgeberin des DAVO-Büros werden möchte. Der Schaden für den soliden Ruf der Nahoststudien in Nürnberg-Erlangen ist jetzt bereits gut ersichtlich.

Wie konnte eine solche Echokammer entstehen? Der Blick in die Vereinigten Staaten als alleinige Quelle für alle Verirrungen des deutschen Wissenschaftsbetriebs greift zu kurz. Die deutschen Nahoststudien haben es schlicht versäumt, eine Pluralisierung des Faches voranzutreiben. Bis heute gibt es keinen einzigen Lehrstuhl für Kurdische Studien an einer staatlichen Universität genauso wenig wie einen staatlichen Lehrstuhl für Israelstudien. Ausländische Forschungszentren unterhält die Max-Weber- Stiftung ausschließlich in Beirut und Istanbul, aber nicht in Jerusalem oder Erbil. Die großen außeruniversitären Forschungszentren, das GIGA-Institut für Nahoststudien und das Zentrum Moderner Orient in Berlin, beschäftigen ganz bewusst keine Israelexperten. Große Zentren für die zeitgenössische Erschließung des Nahen Ostens, darunter Marburg und Nürnberg-Erlangen, besitzen weder einen Lehrstuhl für Israelstudien noch einen Lehrstuhl für Judaistik.

Die Echokammer der deutschen Nahoststudien ist also auch ein Produkt struktureller Blindheit. Wenn man nur noch eine einzige nahöstliche Sprache beherrscht, nämlich fast immer das Arabische, wird eine vielsprachige und multiethnische Region schnell zur vermeintlich „arabischen Welt“; und wer nur islamwissenschaftliche Seminare zum Nahen Osten besucht hat, sieht eine multireligiöse Region schnell nur noch als Teil der „Welt des Islams“. Wer weder Arabisch spricht noch muslimisch ist (so wie die jüdischen Israelis), der passt in diese imaginierte Region einfach nicht hinein und kann nur mit Argwohn betrachtet werden. Am besten sollte er aus allen akademischen Bezügen ausgeschlossen werden.

Der einzige Ausweg aus der Horizontverengung ist daher ihre konsequente Pluralisierung: Nahostzentren, die ohne Expertise zum jüdischen Nahen Osten und ohne Expertise zur israelischen Gesellschaft auszukommen glauben, sind endgültig aus der Zeit gefallen. Wer sich mit der israelischen Gesellschaft auseinandersetzen will, muss sich ein tiefes Verständnis der palästinensischen Geschichte erarbeiten, und wer mit der palästinensischen Sache sympathisiert, sollte selbstverständlich verstehen, warum genau Millionen von Jüdinnen und Juden die Idee eines jüdischen Nationalstaats im Land Israel/Palästina verteidigen, ohne sich mit der griffigen Formel des „Siedlerkolonialismus“ zufriedenzugeben. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigen, dass die arabische Welt längst ihren Frieden mit dem Staat Israel gemacht hat. Vielleicht gilt das eines Tages ja auch für die deutschen Nahoststudien.

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  • Datum: 5. November 2025
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