Dr. h.c. Charlotte Knobloch

Im Rahmen eines Seminarbesuchs am 12. Januar 2011 wurde Dr. h.c. Charlotte Knobloch zur Ehrensenatorin der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg ernannt.

 

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Fotos: Phillip Rothe

Laudatio des Ersten Prorektors Prof. Dr. Johannes Heil


Liebe Frau Dr. Knobloch,

seien Sie uns hier ganz herzlich willkommen!

Anlässlich der Einweihung des Neubaus der HfJS vor gut einem Jahr sagten Sie in einem Interview: "Ich hätte es mir vor Jahrzehnten nicht vorstellen können, dass es eine Hochschule für Judentum in Deutschland gibt … Das gibt Mut für die Zukunft, für die Kinder und Enkelkinder."

Das bezog sich nicht nur auf den Neubau, sondern auf die Institution, auf das Fach Jüdische Studien und letztlich auf Judentum in Deutschland überhaupt.

All das – vielleicht mit Ausnahme des großzügigen Neubaus, dessen Errichtung ein Kraftakt und ein Meilenstein war – erscheint heute so leicht als Selbstverständlichkeit.

Das Fach, die Hochschule, andere Standorte sind selbstverständlich Bestandteil dieser Gesellschaft und haben ihren Platz, ihre Aufgabe darin. Das ist natürlich richtig und gut so.

"Ich hätte es mir vor Jahrzehnten nicht vorstellen können …“ erinnert ebenso selbstverständlich daran, dass natürlich nichts davon selbstverständlich ist.

Und Sie und Ihre Generation wissen, wovon Sie sprechen.
Denn sie können und sie können nicht anders als auf die brüchigen Anfänge zurückzuschauen, auf das Dasein, auf das Wiederzusammenkommen, auf die Verluste und das Erkennen des Ausmaßes der Verluste – auf all die, die nicht mehr zurückkommen können, weil ein Unrechtsregime Ihnen alles abgesprochen und am Ende das Leben genommen hatte.

Es konnte damals gar nicht anders als unvorstellbar sein, so wenig wie heute der Moment vorstellbar ist und was es hieß, 1945 mit dreizehn Jahren in die Stadt zurückzukehren, die Sie als Kind gerade noch verlassen konnten.

Manches hat sich in den folgenden Jahrzehnten eher unmerklich eingestellt, so auch die wachsende Gewissheit, dass die wiedergegründeten  Gemeinden keine Stätten des puren Übergangs sein, sondern sich auf Dauer hin entwickeln würden. Und dass es gelte, deren Bedürfnisse zu stillen.

Anderes musste, aller scheren Erinnerung zum Trotz, tatkräftig angegangen werden.

Sie haben Verantwortung übernommen und gestaltet. Seit vielen Jahren sind Sie Präsidentin der Jüdischen Kultusgemeinde München, vier wichtige Jahre haben Sie dem Zentralrat der Juden in Deutschland vorgestanden, seit 2003 sind Sie Vizepräsidentin des Europäisch-Jüdischen Kongresses, seit 2005 Vizepräsidentin des World Jewish Congress – um nur einige Ihrer Funktionen zu nennen.

Sie haben – das ist der zumindest nach außen sichtbarste Teil Ihrer unermüdlichen Tätigkeit mit Ausdauer und Kraft – den Bau des neuen Jüdischen Gemeindezentrums und der Synagoge am Münchener St. Jakobs-Platz betrieben. Ich muss sagen, dass das ein Stück Stadtlandschaft ist, das immer wieder bewegt, wenn man vorbei- oder hineingeht.
 

Das meint nicht nur die markante architektonische Eigenständigkeit, der zugleich Einbettung in die Umgebung gelingt. Denn das ist nicht irgendein bemerkenswerter Neubau, sondern ein ganz eigener historischer Kontrapunkt.
 

Es war gerade München, wo bereits am 9. Juni 1938 begonnen wurde, die Synagoge in der Herzog Max-Strasse abzubrechen, ein „Schandfleck“, wie es damals hieß. Dieser Bau war einer der bemerkenswertesten Synagogenbauten in Deutschland.
Seine neo-romanischen Formen mit zwei Flankentürmen korrespondierten kokett  mit den Zwiebeltürmen der nur wenige hundert Meter entfernten Frauenkirche, der Kathedrale. Vielleicht war es gerade diese gelungene Korrespondenz, die dann 1938 besonders provozierte.

Mit dem Neubau am St. Jakobs-Platz ist ein Kreis geschlossen worden, dessen Schließung 1945 kaum denkbar war. Kokett, ja kongenial, ist diesmal die Adresse – der große Heilige hat seinen Namen ja vom Stammvater Jakob.
   
Das Bauen hat Sie danach nicht losgelassen.

Und so drücken wir heute unseren Dank aus, dass während Ihrer Amtszeit auch der Neubau der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg realisiert werden konnte, der vor nicht allzu langer Zeit ebenfalls nicht vorstellbar war und jetzt „Mut für die Zukunft“ gibt.

Die Ernennung zur Ehrensenatorin der Hochschule für Jüdische Studien bedeutet keine Verpflichtung, keine Sitzungen, keine Tagesordnungen. Sie ist einfach ein Zeichen unseres Dankes und unserer Wertschätzung. 

 

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Letzte Änderung: 17.02.2011